Prosopagnosie
oder die Unfähigkeit, sich Gesichter zu merken |
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Merkblatt ProsopagnosieDer medizinische Ausdruck Prosopagnosie steht für eine vermutlich recht häufigvorkommende, bisher aber wenig beachtete Teilleistungsschwäche des Gehirns. Er bezeichnet die Unfähigkeit, sich Gesichter zu merken. Der Begriff Prosopagnosie setzt sich aus zwei griechischen Worten zusammen: „Prosopon“, das Gesicht, und „Agnosis“, das Nichterkennen. Wie zeigt sich diese Teilleistungsschwäche im täglichen Leben? Sicher kennen Sie die Situation: Sie begegnen jemandem, dessen Gesicht Ihnen bekannt vorkommt, aber es will Ihnen nicht einfallen, wer es sein könnte. Nahezu jeder hat das schon erlebt und empfindet es als peinlichen Aussetzer, denn für das menschliche Gehirn ist das Gesicht ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Erkennungsmerkmal einer Person. Wer jedoch unter Prosopagnosie leidet, erkennt andere Menschen im allgemeinen nicht an ihrem Gesicht, denn er kann Gesichter wohl sehen, sie aber nicht mit einer Person verknüpfen. Es geht ihm wie einem Europäer, der zum ersten Mal in ein asiatisches Land kommt. Alle Gesichter erscheinen ihm verblüffend ähnlich. Er wird die Reiseleiterin, die den Bus am Tage durch die Stadt gelotst hat, am Abend in der Halle seines Hotels vermutlich nicht erkennen, wenn sie keine Uniform trägt und ihre Haare anders gesteckt hat. Nach einigen Wochen Aufenthalt erscheinen ihm die Gesichter dann weniger fremd und er wird sie leichter auseinander halten können. Es gibt aber Menschen, die niemals lernen, ein Gesicht einer Person zuzuordnen, denn dieser Verbindungsweg ist in ihrem Gehirn gestört oder ganz versperrt. Wie kommt es zu einer Prosopagnosie? Man kann zwei wesentliche Formen der Prosopagnosie unterscheiden: 1. Die erworbene Prosopagnosie Sie tritt nach einem Gehirnschaden, z.B. einer schweren Schädelverletzung, einem Kreislaufstillstand oder einem Schlaganfall auf. Als Folge davon entsteht eine vorübergehende oder dauernde Einschränkung der Hirnfunktion. Das menschliche Gehirn, wie auch das Gehirn der höheren Affen, reserviert einen eigenen Bereich ausschließlich für die Erkennung von Gesichtern. Manchmal trifft ein Gehirnschaden vorwiegend diesen Bereich. Für die Betroffenen hat sich dann in der Welt nichts geändert, mit einer einzigen, allerdings einschneidenden Ausnahme: Alle Gesichter sehen plötzlich fremd aus. Selbst ihre Eltern, ihre Frau oder ihre Kinder tragen plötzlich unbekannte Gesichter. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie schwer es für die Betroffenen ist, damit umzugehen. Weniger unangenehm ist die zweite Form: 2. Die angeborene Prosopagnosie Einige Menschen können sich von Geburt an keine Gesichter merken. Genauer ausgedrückt, sie können ein Gesicht nicht mit einer Person verknüpfen. Schon als kleines Kind erkennen sie ihre Eltern nicht am Gesicht, sondern an der Stimme, der Figur, der Art, sich zu bewegen oder der Kleidung. Für sie ist das Gesicht kein besonderes Merkmal einer Person. Im späteren Leben fallen sie kaum auf, ihre Umgebung bemerkt lediglich, dass sie auf der Straße oder im Supermarkt ihre Bekannten nicht begrüßen. Sie leiden oft selbst darunter, aber sie haben sich damit abgefunden, dass sie sich keine Gesichter merken können. Die angeborene Prosopagnosie kann vererbt werden, so dass mehrere Mitglieder einer Familie davon betroffen sein können. Vielleicht kennen Sie selbst Menschen mit einer Prosopagnosie? Gibt es in Ihrer Umgebung einen Bekannten, der Sie in einer ungewohnten Situation nicht erkennt? Der Sie auf der Straße nicht begrüßt, Ihren Gruß aber stets freundlich oder etwas verlegen beantwortet? Oder finden Sie sich selber des öfteren in der peinlichen Lage, von einem Unbekannten auf der Straße begrüßt zu werden? Erkennen Sie ihn erst, wenn er Sie anspricht, obwohl sein Gesicht Ihnen vorher nur vage vertraut, aber nicht sicher bekannt vorkam? Versuchen Sie immer wieder, sich Gesichter zu merken, aber es will Ihnen nicht recht gelingen? Dann kann es sein, dass Sie auch von Prosopagnosie betroffen sind. Das ändert nichts an Ihrem bisherigen Leben. Sie wissen jetzt lediglich, dass Sie nicht unter einem allgemein schlechten Gedächtnis oder unter Zerstreutheit leiden, sondern unter einer eng begrenzten Teilleistungsschwäche, die gar nicht selten vorkommt und als medizinische Einheit bereits bekannt ist. Diese Seite als PDF-Datei
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